Wenn eine Region in Süditalien für internationalen und zeitweise gar überbordenden Tourismus steht, dann ist es die Amalfiküste inklusive der Stadt Sorrent. Mit Fug und Recht darf sich der vergleichsweise kurze Küstenabschnitt zwischen Cetara und Positano als « la Divina » – die Göttliche – bezeichnen.
Doch was passiert, wenn der beliebte Touristen-Hotspot zwar nicht zum Corona-Hotspot wird, jedoch aber ohne sein « Oh, that’s amazing » trällerndes Stammpublikum aus Übersee auskommen muss? Chance oder Katastrophe?
Wie hat die Pandemie die Amalfiküste und Sorrent verändert?
Wie sich die Amalfiküste, Sorrent und der Tourismus tatsächlich durch die Pandemie verändert haben, haben wir zwei Leute gefragt, die davon direkt betroffen sind.
- Rita lebt in Sorrent und vom Tourismus. Ihre Kunden, für die sie u.a. Reisen nach Maß schneidert, kommen aus der ganzen Welt. Es gibt nichts, was sie in diesem Beruf noch nicht erlebt hat. Sie ist auch Eigentümerin der Casa Partenope in Massa Lubrense.
- Sergio besitzt ein wunderschönes Haus in Conca dei Marini. Für gewöhnlich nutzt er seine Casa del Cavallo nur für wenige Wochen im Jahr. Der erste Corona-Lockdown brach jedoch so urplötzlich über Italien hinein, dass der Weg zurück in sein Mailänder Zuhause über Monate versperrt blieb. Wie er die Amalfiküste seitdem erlebt hat, beantwortet er in unserem Mini-Interview.
Unser Mini-Interview mit Rita und Sergio
Benvenuti Rita e Sergio! Fangen wir direkt an! Die Pandemie und die Reisebeschränkungen dauern bereits seit über einem Jahr an. Wie habt ihr euer Zuhause während dieser Zeit erlebt?
Sergio: Ich habe die Amalfiküste seit Beginn der Pandemie er- und gelebt, und das in einer Form, wie ich zuvor nie die Gelegenheit dazu hatte. Mir ging es trotz aller Einschränkungen sehr gut in Conca. Ich habe hier definitiv einen Ort gefunden, der sehr viel ruhiger ist als Mailand – meine Wahlheimat, und Neapel – meine Geburtsstadt.
Die Kontrollen hinsichtlich der Eindämmung der Pandemie sind in so kleinen Orten viel effizienter, was mich während der gesamten Zeit erstaunlich beruhigt hat. Soll heißen, ich habe mich hier sehr sicher gefühlt.
Rita: Ich würde Sorrent und die gesamte Halbinsel während dieser gesamten Zeit als eher trist beschreiben. Die touristischen Hotspots sind gespenstisch leer. Man findet weniger Waren in den Geschäften, reduzierte Öffnungszeiten und ein völlig verändertes Angebot in den Restaurants. Gerichte, die zum Bsp. spezielle Zutaten benötigen, wurden temporär von der Karte gestrichen.
Der Natur haben die Schließungen sicher gut getan und auch die Einheimischen konnten sich einmal von den Touristen erholen. Doch leben sehr viele Menschen hier direkt oder indirekt vom Tourismus. Aufgrund der ständigen Sorgen und wegen des strengen Lockdowns konnten daher nur die wenigstens von uns die touristische Verschnaufpause wirklich genießen.
Was hat sich in touristischer Hinsicht an der Amalfiküste und in Sorrent seit 2020 verändert?
Rita: Es gibt schon heute Unterkünfte und Anbieter, die definitiv geschlossen bleiben werden. Für die Reisenden bedeutet das weniger Auswahl und für uns weniger Konkurrenz. Hier in Sorrent fand Tourismus immer das ganze Jahr über statt. Wir waren hohe Besucherzahlen einfach gewöhnt. So wuchs das touristische Angebot immer weiter und weiter und damit in vielen Fällen auch die Qualität dessen, was angeboten wurde.
Aktuell beobachten wir einen Trend teils extremer Preissenkungen, was leider aus der Not heraus geschieht. Der inländische und der regionale Tourismus erleben dadurch einen Boom. Vor allem im Juli und August 2020 hatten wir in Sorrent überproportional viele italienische Gäste.
Abgesehen davon muss man sich aufgrund der Corona-Bestimmungen, der Abstandsregelungen und dem daraus resultierenden verringerten Platzangebot im Urlaub besser organisieren. Das betrifft sowohl den spontanen Besuch des Restaurants, Ausflüge und Besichtigungen als auch den Strandbesuch.
Eure Kunden sind in der Regel sehr selbstständig und organisiert. In Zeiten der Pandemie ist es dennoch ratsam, auf die Expertise der Leute vor Ort zu vertrauen. Nur so kann man als Urlauber sicher gehen, dass touristische Angebote tatsächlich stattfinden bzw. dass man daran partizipieren kann.
Sergio: In Conca, Amalfi und den umliegenden Orten waren ganz klar mehr italienische Gäste als vor Corona unterwegs. Insbesondere im Juli und August war das auffallend. Obwohl die ausländischen Touristen fehlten, finde ich dennoch, dass trotz aller Restriktionen die Touristen nie ganz ausgeblieben sind.
Warum Sie 2021 an die Amalfiküste und die Sorrentiner Halbinsel reisen sollten
Weniger Touristen, mehr Platz. Warum lohnt es sich, besonders jetzt die Amalfiküste und die Sorrentiner Halbinsel zu besuchen?
Sergio: Meiner Meinung nach ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um die Amalfiküste zu bereisen. Gerade, wer sich nach einem entspannten und ruhigen Urlaub sehnt, sollte noch vor oder direkt nach dem Sommer kommen.
Wahrscheinlich stehen einige touristische Angebote aktuell nur eingeschränkt zur Verfügung, aber der Aufenthalt wird dadurch wiederum individueller und privater sein als zu « normalen » Zeiten. Übrigens ist die Küstenstraße bei Amalfi nach dem Erdrutsch vor wenigen Monaten nun wieder durchgehend passierbar.
Rita: Dass es weniger Touristen und mehr Platz gibt, kann ich nicht bestätigen. Italienische Gäste, die für gewöhnlich den Urlaub in Spanien, Griechenland und anderswo im Ausland verbringen, sind nun öfter an der Sorrentiner Halbinsel anzutreffen. Sie ziehen eine andere Art von Tourismus nach sich, was vor allem im August spürbar sein wird.
Daher ist mein Tipp, vor dem 15. Juli oder nach 10. September nach Sorrent zu kommen. Dann kann man sicher sein, die sehenswerten Orte unserer Halbinsel ganz in Ruhe genießen zu können. Natürlich kann es passieren, dass einige touristische Angebote nur reduziert stattfinden, aber das tut der Schönheit des Ortes keinen Abbruch.
Ob mit oder ohne Pandemie, es lohnt sich immer, Sorrent zu besuchen. Der große Vorteil, von dem man 2021 sicher noch profitieren kann, ist das Ausbleiben großer Reisegruppen. Damit werden auch keine Reisebusse oder Kleinbus-Karawanen die Straßen verstopfen. Das dürfte nicht nur für uns Einheimische ein angenehmer Nebeneffekt der Pandemie sein.
Vielen Dank für das Gespräch und euren Ausblick für 2021!